Mein Lieblingsplatz – das ist eine schwierige Aufgabe, wie ich finde. Denn Lieblingsplätze habe ich als aus der Feindesstadt Zugezogene ganz viele in der Domstadt. Ja, tatsächlich, ich liebe Köln und den Dom, der ein jedes Jahr zwei Millionen Touristen anzieht. Insbesondere sein Vorplatz fasziniert mich sehr. Dort wuselt es nur so von Menschen aus aller Welt. Köln ist nirgendwo internationaler, als an diesem Ort. Gerne schaue ich den Touristen zu, wie sie krampfhaft versuchen, die Riesenkirche aufs Foto zu bannen. Und ich genieße die vielen Sprachen, die mich hier umschwirren. Ja, und die Altstadt, diesen ebenfalls sehr touristischen Ort, liebe ich, denn hier weht der Hauch der Vergangenheit. Und das ist es, was hoffnungslose Romantiker wie ich besonders mögen.
Wenn ich mir meine Fotosammlung anschaue, finde ich sofort meinen Lieblingsplatz, denn ich habe ihn hundertfach fotografiert. Im sommerlichen Sonnenuntergang, im herbstlichen Nebel, an einem klaren Wintertag, umschwirrt von Vögeln im Frühling, bei Vollmond, von oben, von unten, von vorne und von hinten: die Rodenkirchener Brücke. Dieses elegante Bauwerk erinnert mich immer an die Golden Gate Bridge. Schließlich haben beide auch einiges gemein: sie sind echte Hängebrücken und haben sechs Fahrspuren.
Das war nicht immer so. Denn die zwischen 1952 und 1954 erbaute und seinerzeit weitestgespannte Hängebrücke Europas wurde erst Anfang der 90er Jahre durch einen Zwillingsbau auf der Nordseite von vier auf sechs Fahrspuren verbreitert. Während die eine den Eingang zur San Francisco Bay markiert, markiert die andere das Tor in den Kölner Süden. Majestätisch präsentiert sich das mintfarbene Bauwerk vor dem tiefen Blau des Himmels, wenn ich etwa von der Innenstadt komme und das Ortseingangsschild Rodenkirchen passiere – dann umrahmt von den Alleebäumen.
Von der Hauptstraße in Rodenkirchen aus betrachtet, fesselt mich ihr überragender Anblick zusammen mit dem Kirchturm. Und man sieht sogar sie schon, wenn man noch auf der Weißer Straße ist. Dies ist übrigens auch die richtige Seite, will man sie in das tiefe Rot und Orange von spektakulären Sonnenuntergängen getaucht sehen. Diesen Anblick genieße ich am liebsten bei einen Aperol-Spritz auf dem Bootshaus oder einer Flasche Wein auf der Buhne oder am Strand hockend. Von Möwen umkreist warte ich hier bis die Sonne versinkt.
Dann ist auch meine 52,30 Meter breite Golden Gate Bridge nicht mehr grün, sondern hebt sich als schwarze 567 Meter lange Shilouette vom rotglitzernden Wasser der größten Wasserstraße Europas ab. So wie sie heute da steht, ist sie die Nachfolgerin der allerersten Autobahnbrücke über den Rhein überhaupt, erbaut zwischen 1938 und 1941. Damals wollte man ein internationales Fernstraßennetz aufbauen, dass in Köln die Strecke London-Istanbul in Richtung Skandinavien erschließen sollte.
Ihre Planer waren Paul Bonatz, Karl Schaechterle und Fritz Leonhardt. Letzterer war einer der bekanntesten Brückenbauer des 20. Jahrhunderts und hatte auch schon die Deutzer Brücke, die Zoobrücke, die Severinsbrücke und Mülheimer Brücke geplant. Nach der Zerstörung der Brücke während eines Luftangriffs im Januar 1945 erfolgte ihr Wiederaufbau Anfang der 50er Jahre. Ihre Pylone konnten wieder verwendet werden und 3.350 Tonnen Stahl wurden verbaut. 59,4 Meter hoch ragt die Brückenkonstruktion seither in den Himmel.
Wenn ich mit dem Fahrrad über ihre seitlichen Radwege fahre, ist mir immer ein bisschen mulmig zumute, bin ich doch nicht ganz schwindelfrei. Zu Fuß ist es besser. Wenn ich auf die andere Rheinseite jogge, erschließt sich mir zur Linken der Blick auf die Skyline von Köln. Wenn ich mit dem Bötchen unter ihr hertuckere, bewundere ich ihre massige Unterseite. Und wenn ich abends mit dem Auto vom Rechtsrheinischen kommend über sie fahre, ist sie besonders im Winter ganz oft auch wieder in tiefstes Rot getaucht. Denn dann geht die Sonne nicht Richtung Köln, sondern scheinbar direkt hinter ihren Brückenpfeilern unter. Wie immer steht sie da, elegant und schön, genau wie der Stadtteil, zu dem sie gehört.
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