
Es ist war ein Moment, den er so nie mehr erleben wird, wie er sagt: der Besuch beim Papst und die Worte, die dieser zu ihm sprach. Denn es war keine normale Audienz, die Bruno Harich und Johannes Heibel in Rom erlebten. Der Bildhauer aus Neunkirchen-Seelscheid und der Vorsitzende der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen aus Siershahn im Westerwald hatten ein besonderes Geschenk im Gepäck: einen 1,4 Tonnen schweren und 1,40 Meter großen Mühlstein. Als „Mahnender Mühlstein“ hatte dieser bereits eine zehnjährige Odyssee durch 31 deutsche Städte hinter sich und sollte nun seine letzte Station im Vatikan erhalten.
„Wer aber einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde“, diese Worte aus dem Matthäus-Evangelium, Kap. 18, Vers 6, hatte der Papst mehrfach im Rahmen der Missbrauchs-Vorwürfe in der katholischen Kirche zitiert. Das war Grund genug, diesen in Stein zu meißeln. „Das ist kein Aufruf zur Todesstrafe“, klärt der Steinmetz über diese oftmals missverstandene Formulierung auf. „Hier steht ausdrücklich ,würde' und nicht sollte“, so Harich zu den Diskussionen, die es bei den Einweihungen in Hamburg, auf Föhr, in Berlin, Stuttgart, Würzburg, Regensburg und anderen gegeben hatte. In Regensburg nahm die ganze Aktion übrigens ihren Ursprung. Heibel, der sich seit 1991 mit dem Thema Kindesmisshandlung beschäftigt, brachte im Jahr 2007 der Fall eines Priesters, den der Bischof wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern strafversetzt, aber erneut in der Jugendarbeit eingesetzt hatte, auf die Palme. Der Priester wurde trotz therapeutischer Behandlung rückfällig.
„Das inakzeptable Verhalten des Bischofs“, wie Heibel es nennt, inspirierte ihn zur Suche nach einem möglichst großen Mühlstein. Bei Dresden fand er ihn und er machte suchte nun nach einem Bildhauer, der die Worte eingravierte. Da er seinem Umfeld keinen fand, ging er in die Breite und stieß auf Bruno Harich. Der führt den vor 60 Jahren von seinem Vater gegründeten Steinmetzbetrieb in zweiter Generation und ist bekannt für seine zweimal im Jahr durchgeführten Sozialaktion. „Die Chemie stimmte von Anfang an“, erzählt der Bildhauer von der ersten Begegnung Anfang 2008. Und so begann der Schaffensprozess, der nach vielen Diskussionen im Mai beendet war. Dann machte sich der „Mahnende Mühlstein“ auf Wanderschaft. „Es war eine Herausforderung, immer wieder Speditionen zu finden, die den Stein kostenlos mit in die nächste Stadt nahmen“, so Harich. Nach umfangreichen Gesprächen wurde er jeweils aufgestellt, wobei es auch zu komischen Begebenheiten kam. In München etwa sei der Stein nach dem offiziellen Akt hinter das Rathaus transportiert wurde, so der Bildhauer.
Die Arbeit an dem Mühlstein hatte den Vater Vater von drei Kindern tief bewegt. Umso mehr lag ihm der Besuch beim Papst am Herzen. Mit einem Ford-Transit und dem Mühlstein auf einem Hänger begaben sich die Heibel und Harich am 23. November um drei Uhr nachts auf eine fünftägige Pilgerreise nach Rom. Sie luden zunächst den Stein in Würzburg auf und kamen ohne Staus nach 1050 Kilometer am Abend in Bologna an. Von dort fuhren sie am nächsten Tag die restlichen 400 Kilometer nach Rom, wo sie am Montagmorgen den Papst treffen sollten. Doch dieser kam gerade erst zurück von seiner Asien-Reise und so wurde die Audienz auf Mittwoch verschoben. „Es war alles bis ins Kleinste durchorganisiert. Wir durften sogar mit dem Transit auf den Petersplatz fahren, wo der Stein mit einem Gabelstapler abgeladen und auf die Stufen des Petersdom gelegt wurde“, erzählt Harich, der dies in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet hatte. Nach seiner Audienz von 1500 Gläubigen auf den Petersplatz kam der Papst zu den beiden Männern, die ihm erklärten, was es mit dem Stein auf sich habe. Er solle dazu beitragen, dass dies nicht mehr geschehe, sagten sie. Tief beeindruckt antwortete der laut Harich sehr authentisch wirkende Heilige Vater: „Es wird schwer. Bitte beten Sie für mich“.
„Diese Worte werde ich nie mehr vergessen“, so der Bildhauer. Gerade erhielt er die Nachricht, dass der Mühlstein an prominenter Stelle vor dem Sitz der Päpstlichen Kinderschutzkommission aufgestellt wird – sichtbar für alle Besucher.
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