Direkt zum Hauptbereich

Das Märchen vom bösen Wolf



Oftmals werden sie verwechselt: Wölfe und Hunde. So erreichen Dietmar Birkhahn immer wieder Aufnahmen von vermeintlichen Wölfen, die sich als Hunde entpuppen. Dabei gibt es in Bezug auf das Verhalten riesige Unterschiede, wie der ehrenamtliche Wolfsberater des Landesamtes für Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) sagt. Wölfe sind nämlich scheu und meiden Begegnungen mit den Menschen – im Gegensatz etwa zu Wolfshunden. Die Kreuzungen zwischen Deutschem Schäferhund und Wolf wurden einst zu militärischen Zwecken gezüchtet und sind nicht ohne – indes aber selten in freier Wildbahn anzutreffen. „Seit den ersten Sichtungen 1999 hat es keinen einzigen Vorfall mit einem Menschen gegeben“, sagt der gelernte Elektroniker, der seit fünf Jahren auch Wolfsbotschafter des Nabu ist.

„Ich war schon als Kind extremst interessiert an den Tieren“, begründet er sein Engagement, das derzeit sehr zeitaufwändig ist. Erst am Sonntag von einer Woche gab es einen, derzeit noch unbestätigten, Riss eines Rehbocks im Raum Much. Wenn, wie in diesem Fall, ein Landwirt oder ein Spaziergänger ein gerissenes Tier findet, sollte dieser ihn direkt informieren. Denn es ist wichtig, dass schnell eine DNA genommen wird, um festzustellen, ob es tatsächlich ein Wolf war, wie Birkhahn sagt. Dazu steht ihm eine komplette Ausrüstung zur Verfügung. „Der Auffindeort wird wie ein Tatort behandelt“, sagt er mit Blick auf die Foto-Dokumentation, Probenentnahmen mittels Wattestäbchen am Wundrand und zum Schluss das Öffnen des Tieres, um die typischen Biss-Spuren zu finden. Die Proben schickt er an das Institut Senckenberg in Gelnhausen – das einzige, das sich deutschlandweit darauf spezialisiert hat. Nach etwa vier Wochen kommt das Ergebnis. Dabei geht es nicht nur darum, festzustellen, ob es ein Wolf war, sondern auch darum, ihn zu individualisieren. Denn erst, wenn immer wieder dieselbe DNA gefunden wird, können die Wolfsexperten sicher sagen, dass sich ein Wolf niedergelassen hat.

„Typisch ist der Abdruck der beiden Eckzähne im Bereich der Luftröhre“, so der Wolfsberater, der erklärt, dass der Wolf das Tier aufgrund eines gezielten Bisses innerhalb von 20 bis 30 Sekunden tötet. „Dem Wolf geht es nur ums Überleben“, so Birkhahn, der gleichzeitig viel Verständnis für die Sorgen der Weidetierhalter aufbringt. Die müssten sich auf die neue Situation einstellen. „Wenn wir als Gesellschaft akzeptieren, dass der Wolf zurückkommt, müssen wir entsprechende Vorsorge treffen. Dann gibt es auch keine großen Verluste“, sagt er im Hinblick auf Schutzmaßnahmen wie flexible Zäune, die Wölfe in der Regel nicht überspringen. „Das ist wider ihre Natur. Sie graben sich eher unten durch, daher gibt es im untereren Bereich einen Stromschutz. Wenn der Wolf einmal damit in Berührung gekommen ist, wird er es nicht noch einmal versuchen“, ist sich Birkhahn sicher. Gleichzeitig befürwortet er, dass die bürokratischen Hürden für Schutz- und Entschädigungsmaßnahmen deutlich niedriger werden.

Er selbst möchte einfach aufklären. Dafür hat er sich in vielen Jahren zum Wolfsbotschafter ausbilden lassen, denn laut seiner Aussage wird viel Falsches über das Raubtier verbreitet. Ein Mythos ist etwa der von den Rudeln. „Die Tiere leben nur im Zoo im Rudel, in der freien Wildbahn gibt es nur Familienstrukturen“, weiß der 51-Jährige, der regelmäßig Vorträge über Wölfe hält. In diesen berichtet er etwa auch von der Wölfin, deren 700 Kilometer langer Weg mittels eines Sensors von Mecklenburg-Vorpommern bis zu einem Truppenübungsplatz in Belgien nachvollzogen werden konnte. Als exzellente Schwimmerin hat sie die Elbe durchschwommen, den Rhein aber über eine Brücke passiert. In Belgien hat sie einen Rüden gefunden und sich niedergelassen – ihren Durchzug durch NRW hat keiner bemerkt.

Dass ihn sein Ehrenamt viel Zeit kostet, nimmt der alleinerziehende Vater eines 16-jährigen Sohnes gelassen. Sein Job in der Medizintechnik ließe sich flexibel gestalten, zudem würden Rissvorfälle eher am frühen Morgen, nachmittags, abends oder an den Wochenenden gemeldet, so Birkhahn, der als Wolfsberater des LANUV die drei Landkreise Rhein-Sieg, Oberberg und Rheinisch-Bergischer Kreis betreut. In letzterem lebt er. Linksrheinisch sei ihm noch kein Vorfall bekannt. Der Wolf, der Anfang Mai in Eitorf unterwegs war, sei vermutlich nach Rheinland-Pfalz weitergewandert, wo es am Stegskopf ein Wolfsgebiet gebe, so der Wolfsberater. Woher das Tier, das sich derzeit im Raum Much/Engelskirchen aufhält gekommen ist, könne man indes nicht sagen, ebenso wenig ob er sich niederlasse. „Das hängt von vielen Faktoren, besonders aber vom Futterangebot ab“, so Birkhahn. Sobald der Wolf per DNA dauerhaft im größten zusammen hängenden Waldgebiet, dem Heck, nachgewiesen ist, wird es zum Wolfsgebiet erklärt und die Weidetierhalter erhalten Förderungen von Schutzmaßnahmen.

Wer einen Wolf sichtet, kann dies beim LANUV unter www.wolf-nrw.de melden, wo eine Liste geführt wird. Ansonsten ist Dietmar Birkhahn unter Telefon 02266/9010515, E-Mail: d.birkhahn@nrw-wolf.de zu erreichen.

Kommentare

Vielen Dank für diesen perfekt recherchierten und informativen Artikel! Aufklärung ist die einzige Möglichkeit um ein Verständnis für diese wundervollen Tiere zu erreichen. Was für ein Geschenk, dass es in unserer Region wieder Wölfe gibt! Lebensräume für Wildtiere sind allerdings sehr begrenzt und es kommt zwangsläufig immer wieder zu Überschneidungen. Begegnungen mit Wölfen sind deshalb jederzeit möglich, auch für den Spaziergänger und Pilzesucher. Wer sich auskennt verfällt dabei nicht in Panik.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Das Morden geht weiter - unorganisiertes Verbrechen in Hengasch

„Gasthof Aubach“ steht in großen Lettern über dem Eingang. Da muss man schon zweimal hinschauen, denn eigentlich kennt man ihn ja als Gasthof Röttgen. Aber der fungiert derzeit als Drehort für die beliebte ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“. Ein Locationscout hat das schöne Fachwerkensemble im Herzen von Berg Seelscheid unterhalb der evangelischen Kirche entdeckt, wie Inhaber Klaus Haas verrät. So geht es derzeit turbulent zu rund um den Gasthof. „Wir haben ja Mittwochabend und Donnerstag geschlossen und die Termine werden im Vorfeld abgesprochen“, erzählt Haas von der Organisation seines Gastronomiebetriebes in Verbindung mit dem Drehterminen. Und davon gibt es jede Menge. Wie seine Namensvetterin im Film, die Kommissarin Sophie Haas, am Drehort verrät, spielt immerhin ein Drittel der dritten Stafffel des Eifelkrimis in Seelscheid. Das liegt an der Entfernung, denn in die Eifel ist es viel weiter und damit der Kostenaufwand für das Drehteam höher. Eigentlich ist Sophie Haas ali

Hitze-Tipp: Klimaanlage selbst gemacht

Endlich ist Sommer und endlich gibt es wieder Tropennächte. Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt, sind schön – zum Feiern, Draußensitzen, Partymachen, aber nicht zum Schlafen. Bevor man zur teuren Klima-Anlage greift (die sich noch dazu in unseren Breiten nicht wirklich lohnt), sollte man lieber ein bisschen kreativ werden. Denn eine im Vergleich zu den herkömmlichen umweltfreundliche Klima-Anlage fürs Schlafzimmer kann sich jeder ganz einfach selbst basteln. Was man dazu braucht, haben die meisten: einen Ventilator, ein nasses Handtuch und einen Stuhl. Es geht darum, sich die Verdunstungskälte zunutze machen. Diese entsteht, wenn Wasser in einen gasförmigen Zustand übergeht. Am besten stellt man einen Ventilator auf einen Stuhl mit Lehne, nimmt ein nasses Handtuch und hängt es darüber. Wer möchte, kann den unteren Teil des Handtuches auch noch in einen Eimer mit Wasser hängen. Der Ventilator bläst gegen das Handtuch und das Wasser verdunstet nach und nach und

Vorsicht vor dem heimischen Kraut

Eigentlich sieht es ganz hübsch aus, wenn es so gelb blüht. Und es ist – im Unterschied zu den sich immer weiter verbreitenden Neophyten wie Bärenklau oder Ambrosia – eine alte heimische Pflanze. Trotzdem ist es gefährlich. Die Rede ist vom Jakobskreuzkraut, das insbesondere Pferdebesitzer fürchten. „Das Jakobskreuzkraut ist überall verbreitet und eine wichtige Futterpflanze“, sagt Klaus Weddeling von der Biologischen Station Eitorf. Der Diplom-Biologe meint damit insbesondere Insekten wie den Jakobskreuzkraut-Bär, eine Schmetterlingsart, die auf der Pflanze lebt und sich deren Gift zunutze macht, um sich selbst vor Fraßfeinden zu schützen. Deswegen ist Weddeling auch dagegen, die Pflanze auszurotten, obwohl sie sich seit 2004 laut der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vermehrt ausbreitet. Erklärt wird das mit der Trockenheit und damit, dass sich die Samen früher in Wildsamenmischungen befanden, die nach Straßenbaumaßnahmen ausgestreut wurden. Aber die Pflanze hat ihre Tück