Mit einer Freundschaftsanfrage fängt es ganz harmlos an. Ein gut aussehender Engländer mit Harvard-Studium möchte gerne mit mir befreundet sein. Gerne bestätige ich den Kontakt, warum auch nicht. Allerdings habe ich als viel beschäftigte Journalistin wenig Zeit, um mich auf einen längerfristigen Chat einzulassen. Jeden Tag kommen neue Nachrichten von ihm und schließlich die Frage: „Liebling, warum antwortest du nicht?“
„Hallo? Geht’s noch?“, frage ich mich und schaue mir seine Facebook-Seite mal etwas genauer an. Sie quillt über von Herzchen, Rosen, Eheringen - "da stimmt doch etwas nicht", denke ich. Meinem Freundschaft-Löschen-Klick folgt ein Aufschrei: „Warum willst du nicht mehr mit mir Freund?“, lautet eine unbeholfene Antwort.
Einige Tage später wieder ein gutaussehender Engländer, der mit mir befreundet sein will. Ich bestätige. Er ist weniger aufdringlich, aber hat auch Herzchen auf seiner Seite. Und jetzt schon wieder einer. „Was ist los mit den Engländern? Haben die es so nötig?“, denke ich und fange an zu recherchieren. „Romance-Scamming“ heißt die Masche, mit der auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken Männer aus Afrika auf Frauenfang gehen. Es ist letztlich nichts anderes, als eine moderne Form des Heiratsschwindels, wie meine Recherchen ergeben. Laut einer polizeilichen Pressemitteilung dient eine kurze Online-Einladung zum Chat vielen als Erstkontakt.
Um sich beim potenziellen Opfer interessant zu machen, legen sich die Scammer seriöse Lebensläufe zu. Typische Scammer-Profile sind Ingenieure, Architekten, Soziologen, Konstrukteure in der Ölindustrie, Tierärzte und Computerspezialisten. Auf den Fotos lächeln den Frauen sympathische weiße Männer entgegen. Nur leider sind die gestohlen. Der vermeintliche Engländer oder Amerikaner sitzt in Wahrheit in Ghana oder Nigeria. Die Chat-Bekanntschaften sprechen perfekt Englisch oder benutzen kostspielige Übersetzungstools für ihre Mails. Sie suchen sich bevorzugt Frauen im mittleren Lebensalter aus. Dafür gehen sie lange Mitgliederlisten durch.
Die Typen schaffen es, sich im täglichen Leben ihrer Opfer unverzichtbar zu machen. Auf eine romantische Mail am Morgen folgt ein kurzes Telefonat am Mittag, nach Feierabend wird gechattet, gemailt oder telefoniert. Oft werden Geschichten über verstorbene Ehepartner und Kinder aufgetischt. Mit der Zeit läuft es auf ein Treffen hinaus. Aber, wenn die Scammer nicht schon dort sind, müssen sie vorher dringend geschäftlich oder aus familiären Gründen nach Westafrika. Dort gibt es Schwierigkeiten: Überfälle, gestohlene oder konfiszierte Pässe, ein Krankenhausaufenthalt nach einem Autounfall oder Probleme mit Kreditkarten. Die Opfer werden gebeten, per Bargeldtransfer Geld zu senden, damit man sich endlich treffen kann. Manchmal wird sogar ein Polizist oder ein Arzt vorgeschoben, der telefonisch oder per Mail erklärt, wie wichtig doch das Geld für den armen Mann ist. Das geht bis zur Ankündigung eines Selbstmords.
Laut der Kriminalpolizei haben es die Scammer außer auf Geld auch auf ausländische Ausweispapiere abgesehen. Oft bitten sie ihre Opfer, ihnen Kopien von Pass und Reisepass zu schicken – mit der Erklärung, ein gemeinsames Konto eröffnen zu wollen. So können leicht Ausweise gefälscht werden. Wenn die gewünschte Aktion, Geld oder Ausweispapiere erreicht ist, verschwinden die Scammer auf Nimmerwiedersehen. Es gibt übrigens auch eine weibliche Scammer-Variante, die auf Männerfang geht. Mehr dazu gibt es unter www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/betrug/scamming/romance-scamming.html#sthash.wWtikFhH.dpuf
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